Der Strukturwandel im Einzelhandel mit Uhren und Schmuck wurde durch den postpandemischen Umsatzschub vorübergehend gestoppt. Gleichzeitig vereint eine wachsende Gruppe umsatzstarker Juwelier-Unternehmen einen immer höheren Marktanteil auf sich. Knapp 150 Betriebe machten in 2022 bereits 65 % des Einzelhandelsumsatzes der Branche. Dies teilte der Handelsverband Juweliere (BVJ) nach Auswertung der Umsatzsteuer-Statistik des Statistischen Bundesamtes (Destatis) mit.
„Wir gehen nach aktuellen Marktzahlen aber davon aus, dass sich die Konsolidierung weiter fortsetzen wird", so BVJ-Geschäftsführer
Joachim Dünkelmann.
„Der Nachholeffekt der Konsumenten nach Corona und das dadurch außergewöhnlich umsatzstarke Jahr 2022 hat den strukturellen Wandel lediglich temporär gebremst." Die Zahl der Betriebe im Einzelhandel mit Uhren und Schmuck blieb in 2022 laut Destatis mit 6.356 Juwelieren, Schmuck- und Uhrenfachgeschäften gegenüber dem Vorjahr stabil. Laut der amtlichen Statistik stieg der Umsatz der Betriebe mit Waren und Dienstleistungen im gleichen Zeitraum jedoch von knapp 5,6 Milliarden auf 6,6 Milliarden Euro. Dieses Wachstum hatten bereits die BVJ-Veröffentlichungen vor über einem Jahr festgestellt, die damit bestätigt wurden.
Die Pandemiephase hat die Entwicklung im Einzelhandel der Juwelier-Branche deutlich beeinflusst. Bis zum Vor-Corona-Jahr 2019 zeigten die Destatis-Zahlen einen nahezu linearen Rückgang in der Anzahl der Unternehmen. Dieser Abschmelzungsprozess hatte sich durch die Pandemiebeschränkungen in 2020 und 2021 vorübergehend deutlich beschleunigt, um in 2022 zu erliegen. „Wir haben in den zwei Corona-Jahren über 10 Prozent der Betriebe verloren", beschreibt Dünkelmann. „Das waren aber laut den Amtsgerichten keine Insolvenzen. Wir haben von vielen kleinen und mittleren Betrieben gehört, die vor lauter Frust über Restriktionen, willkürlichen Schließungen des Non-Food-Handels und überbordender Bürokratie schlicht kapituliert haben." Die außergewöhnlich mittelständisch geprägte Branche leide zwar unter Fachkräftemangel und zu wenig Unternehmensnachfolgern, der überproportionale Rückgang in 2020/2021 sei jedoch nicht damit zu begründen.
Corona war für die Branche ein Konzentrationsbeschleuniger. Immer weniger Betriebe machen mehr Umsatz. Die Branche wächst, aber das Wachstum verteilt sich auf weniger Juweliere. Der Trend gehe weiter zum filialisierenden, mittelständischen Juwelier, so Dünkelmann: „Nicht nur in Pandemie-Zeiten haben Juweliere die Betriebe von Kollegen übernommen, die sonst hätten schließen wollen oder müssen. Nachfolgeproblematik, Fachkräftemangel und die Herausforderungen der Innenstädte geben sich als Gründe hierfür die Klinke in die Hand." Über das Internet ließen sich Schmuck und Uhren in den Zeiten zugesperrter Läden zwar übergangsweise besser verkaufen, nach Ende der Pandemiebeschränkungen schlug das Pendel jedoch zurück und der stationäre Handel konnte wieder Marktanteile zurückgewinnen. Vom Nachhol-Boom des Jahres 2022 konnten die stationären Geschäfte deutlich stärker profitieren als die Online-Händler, meint Dünkelmann: „Der deutsche Markt wird nach wie vor dominiert von inhabergeführten Handelsunternehmen. Emotionale Produkte brauchen eine individuelle und persönliche Ansprache. Die marktführenden Juweliere und Filialunternehmen in der Umsatzsteuer-Statistik sind mittelständische Betriebe. Das gibt es in kaum einer anderen Branche."
Hintergrund:
Die Umsatzsteuer-Statistik des Statistischen Bundesamtes (Destatis) gibt den Umsatz der Einzelhandelsbetriebe mit Lieferungen und Leistungen (steuerbarer Umsatz) nach Umsatzgrößenklassen wieder. Durch die Steuersystematik sind die Zahlen erst mit einem Jahr Zeitversatz verfügbar, die Statistik für 2022 wurde also im April 2024 veröffentlicht. Die Umsatzsteuer-Statistik enthält sowohl die Warenumsätze als auch die Umsätze mit Dienstleistungen. Die Eingruppierung der Unternehmen nach Branchenschlüssel erfolgt nach Registeranmeldung und wird ggfs. nach abweichendem Umsatzschwerpunkt korrigiert, sofern sich das im Rahmen einer Steuerprüfung ergibt. Die Zahlen der Umsatzsteuer-Statistik gelten als valideste Strukturdaten für den Einzelhandel mit Uhren und Schmuck. Weitere Informationen unter www.destatis.de